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Der schwule Mann, genauso wie ein als effeminiert («weibisch») geltender Junge, ist eine Bedrohung für das herrschende System der männlichen Dominanz. Der Schwule, der sich zu seiner Homosexualität bekennt, verliert dadurch den erhöhten sozialen Status, den die Gesellschaft dem Mann de facto zuschreibt, und wird zum «Päderasten», zur «Schwuchtel», d.h. zum Unter-Mann. Er muss nicht nur mit dem tief sitzenden Gefühl seiner Abwertung leben, sondern mit der lebenslangen Angst, lächerlich gemacht, diskriminiert, beschimpft, mit Häme überzogen, körperlich angegriffen zu werden. Unsere Daten zeigen, dass schwule Männer im Durchschnitt drei bis vier Mal häufiger Opfer von Gewalt werden als die Männer der Gesamtbevölkerung.
Anders als man vielleicht denkt, sind die Gay Community und ihre realen und virtuellen Räume keine Zuflucht und bieten nicht immer Schutz gegen Stigma und Diskriminierung. Die grosse Mehrheit der einschlägigen Medien und viele Gays selbst hofieren geradezu eine Männlichkeit, die Auftreten und Äusserlichkeiten betont. Ein Gay, dessen Aussehen oder Verhalten als weiblich empfunden wird, wird deshalb auch in der schwulen Community ausgegrenzt, ebenso wie HIV-positive (nicht-cleane), zu junge, zu alte, zu wenig weisse usw. Gays. Die Ausschlusskriterien, die man auf Kontaktanzeigen findet, sprechen hier Bände. In Sachen Diskriminierung haben die Schwulen ihr Einmaleins gründlich gelernt.
11% bis 14% der schwulen Männer haben mindestens einmal im Leben schwere Diskriminierung erfahren. Dabei fällt auf, dass diese in drei von fünf Situationen den Arbeitskontext betrifft, obwohl 80% der gleichen Kohorte schwuler Männer aussagen, sie seien zufrieden bzw. sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. 12% der Gays erklären, sie seien von der Polizei misshandelt worden
Diese Grafik stellt dar, wie sich die Stigmatisierung der Homosexualität im Zusammenleben im Alltag äussert, in Schule, Beruf, Freizeit und Sport. Der homosexuelle Mann, vor allem der Schwule, dessen Auftreten als weiblich angesehen wird, ist Tag für Tag Zielscheibe direkter und indirekter Diskriminierung. Die Gesellschaft neigt dazu, solche Entgleisungen als nicht so schlimm zu betrachten. Tatsächlich ist es aber so, dass ein Mensch, der nicht über die nötigen Ressourcen verfügt, um diese Diskriminierungen auszuhalten bzw. sich davor zu schützen, langfristig Schaden an Leib und Seele nimmt.
Schwule Männer sind drei bis vier Mal häufiger Opfer von Gewalt als die Männer der Gesamtbevölkerung in der Schweiz. Am weitesten verbreitet sind Akte verbaler Aggression. Fast ein Viertel der schwulen Männer wurde in den zwölf Monaten vor der Befragung Opfer solcher Angriffe. Man braucht nur auf der Strasse Augen und Ohren offen zu halten, um zu wissen, dass «Schwuchtel» und andere herabsetzende Begriffe immer noch benutzt werden, um Homosexuelle und überhaupt Männer, deren Verhalten oder Auftreten als weiblich betrachtet wird, zu diffamieren. Die vielen Fälle von Diebstahl ausserhalb der eigenen Wohnung haben wahrscheinlich mit dem nächtlichen Cruising mancher Homosexueller in Strassen und Parks zu tun. Physische Aggressionen (Tätlichkeiten) sind häufig die Fortsetzung verbaler Übergriffe, vor allem bei Jugendlichen. Auch sie sind an einschlägigen Cruising-Orten verbreitet. Schliesslich sind schwule Männer in überproportionalem Masse Opfer sexueller Belästigung, auch innerhalb der schwulen Community.
Im Laufe ihres Lebens waren fast 60% der schwulen Männer Zielscheibe verbaler Aggression, mehr als 50% wurden ausserhalb ihrer Wohnung bestohlen. 13% waren Opfer sexueller Belästigung, 10% von Vergewaltigung. Dabei ist festzuhalten, dass das Schweizer Strafrecht den Tatbestand der Vergewaltigung an einem Mann nicht kennt, und dass ein solcher Täter zu einer einfachen Geldstrafe verurteilt werden kann, was völlig unverständlich ist und einer Diskriminierung aller Männer gleichkommt.
Diese Grafik vergleicht die Daten aus den Befragungen von 2002 und 2011. Die Gewalt ist nicht weniger geworden, sie hat sogar leicht zugenommen. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: entweder gibt es tatsächlich mehr Gewalt, oder aber es erkennen mehr schwule Männer, dass sie Opfer von Gewalt werden, weil die Kommunikation darüber in der Gay Community besser geworden ist.
Die jungen Gays werden am häufigsten Opfer von Gewalt. Schule, Schulweg, Quartierzentren und andere Orte, wo sich Jugendliche treffen, sind beliebte Orte für Mobbing, Stigmatisierung, Ausgrenzung, verbale und körperliche Übergriffe. Gewalt gegen homosexuelle Männer ist aber in allen Altersgruppen verbreitet
Gewalt gegen schwule Männer ist nicht zwangsläufig homophobe Gewalt. Auf Nachfrage sagten ca. 60% der Opfer, die erlittenen verbalen oder körperlichen Übergriffe hätten mit ihrer Homosexualität zu tun.
Die Hälfte der Opfer physischer Übergriffe, manchmal brutaler Tätlichkeiten, erstattet keine Anzeige bei der Polizei. Auf Nachfrage sagen die Betroffenen, sie verzichteten vor allem aus Angst vor den Vorurteilen der Polizei auf eine Anzeige, weil man ihnen vorwerfe, an den Vorfällen selbst schuld zu sein, oder aus Angst, ihre Homosexualität offenbaren zu müssen. Fast 45% der Männer, die Anzeige erstattet haben, sind mit der Arbeit der Polizei unzufrieden. Diese Daten und die wiederholten Angriffe auf Homosexuelle auf der Strasse und in den Parks haben Dialogai veranlasst, eine gemeinsame Arbeitsgruppe einzurichten, in der Polizei und Organisationen, die in der Strassenarbeit und in der Gewaltprävention tätig sind, zusammenarbeiten, um solche Übergriffe zu verhindern und das Vertrauen zwischen Schwulen und Polizei zu stärken. Der Bericht «homophobe Übergriffe in Genf» aus dem Jahr 2014 beschreibt Kontext und Ziele dieser Arbeit.
Häusliche Gewalt kommt in allen Beziehungsformen vor, auch bei homosexuellen Paaren, und in allen Gesellschaftsschichten. Die Aggressionen sind vielfältig: psychologisch (Partner herabsetzen, seine Beziehungen kontrollieren usw.), körperlich (schlagen, schubsen, schütteln usw.), wirtschaftlich (Geld kontrollieren, nicht genug Geld für Haushalt oder persönliche Bedürfnisse geben usw.), sexuell (mobben, zu nicht gewollten sexuellen Handlungen zwingen, vergewaltigen usw.).
Die häusliche Gewalt betrifft Gewalt in bestehenden Beziehungen, mit Ex-Partnern, aber auch zwischen regelmässigen Sexpartnern (fuckbuddies). Es braucht keinen Partnerschaftsvertrag, damit von häuslicher Gewalt unter Partnern die Rede sein kann.
Bei den männlichen Paaren sind psychologische und verbale Gewalt die häufigsten Formen. 36% von ihnen haben im Leben die eine oder andere Form häuslicher Gewalt erfahren, 7% davon in den zwölf Monaten vor der Befragung. Die Zahlen liegen zwar leicht unter denjenigen der Statistik über häusliche Gewalt im Kanton Genf, doch Gays in einer Beziehung erleiden fast ebenso häufig häusliche Gewalt wie die Frauen der Gesamtbevölkerung.
Häufig tun sich Männer immer noch schwerer damit als Frauen, sich über erlittene Gewalt zu beklagen. Wenn Ihr Opfer häuslicher Gewalt seid, findet Ihr nützliche Informationen auf den folgenden beiden Websites für Gewaltopfer und Täter: ViolenceQueFaire, centre LAVI.
Wer Opfer einer gewalttätigen Handlung wird, hat schädliche und oft lang währende Folgen für die Gesundheit zu tragen. Die Opfer nennen körperliche Übergriffe als die bedrückendste Form von Gewalt, aber für Spezialisten hat jede Gewalt schwerwiegende Folgen für die Gesundheit, auch psychologische Gewalt